Vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind bereits mehrere Atomanlagen des Landes betroffen, darunter Europas leistungsstärkstes Atomkraftwerk Saporischschja und die Reaktorruine in Tschernobyl. In Kiew wurde zudem nach Angaben der Atomaufsichtsbehörde IAEA ein Lager mit radioaktiven Abfällen mit Granaten beschossen, eine ähnliche Einrichtung wurde in Charkiw getroffen [1].
Das Umweltinstitut fordert die europäischen Regierungen dazu auf, alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um Russland davon abzuhalten, Nuklearwaffen einzusetzen oder einen schweren Atomunfall zu verursachen.
„Neben der Gefahr einer atomaren Eskalation des Krieges mit Nuklearwaffen besteht ein erhebliches Risiko durch die in Betrieb befindlichen 15 zivilen Atomreaktoren in der Ukraine sowie durch die Reaktorruine in Tschernobyl“, so Dr. Hauke Doerk, Referent für Radioaktivität am Umweltinstitut. „Dies zeigt sich bereits in den ersten Tagen des Krieges, in denen laut Angaben der internationalen Atomaufsicht mehrfach Anlagen wie Lager für radioaktive Abfälle von Marschflugkörpern oder anderen Geschossen getroffen wurden.
In Tschernobyl haben die Truppenbewegungen zudem radioaktiven Staub aufgewirbelt“, so Doerk weiter. „Insgesamt sind 15 Reaktorblöcke in der Ukraine aktiv, von denen auch nach Sofortabschaltung eine große Gefahr ausgeht. Wenn das Kühlsystem durch Beschuss der Anlagen beschädigt wird und versagt, oder wenn bei einem Zusammenbruch des Stromnetzes nicht dauerhaft genügend Notstrom zur Verfügung steht, kann es zur Kernschmelze kommen“.
Auch die internationale Atomaufsichtsbehörde IAEA sieht laut eigenen Angaben ein „sehr realistisches Risiko, dass Einrichtungen mit Nuklearmaterial im Konflikt beschädigt werden und dass es zu möglichen schweren Folgen für Mensch und Umwelt kommt.“ [2]
Das Umweltinstitut fordert die europäischen Regierungen dazu auf, alle diplomatischen Mittel auszuschöpfen, um eine atomare Eskalation des Krieges zu verhindern und schwere Atomunfälle zu vermeiden. „Soweit noch diplomatische Kontakte zu Russland bestehen, müssen die europäischen Regierungen diese nutzen, um gemeinsame Maßnahmen zur Verhinderung eines Atomkrieges oder eines schweren Atomunfalles in der Ukraine zu vereinbaren – unverzüglich und unabhängig von sonstigen Verhandlungen über ein Ende des Krieges“, so Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer des Umweltinstituts. „Der konventionelle Angriffskrieg Russlands verursacht mehr als genug Leid, aber ein Super-GAU in einem ukrainischen Atomkraftwerk oder gar der Einsatz von Atomwaffen wäre eine völlig neue Dimension des Wahnsinns und muss mit allen Mitteln verhindert werden“, so Holzheid weiter.
Seit der Atomkatastrophe in Tschernobyl 1986 überprüft das Umweltinstitut als unabhängige Messstelle rund um die Uhr die Außenluft am Standort München auf Radioaktivität. Aufgrund der aktuellen Wetterlage (Luftzirkulation um ein Tief über dem Schwarzen Meer) wäre derzeit jedoch auch bei einer Freisetzung in der Ukraine keine erhöhte Radioaktivität an der deutschen Messstation zu erwarten.