Im Kalimuseum in Bischofferode ist gestern Mittag eine ganz besondere Ausstellung eröffnet worden. Sie trägt den Titel: „Schicksal Treuhand – Treuhand Schicksale“. Gerhard Jüttemann hatte die Wanderausstellung der Rosa-Luxemburg-Stiftung ins Museum geholt, um darauf aufmerksam zu machen, wie es vor genau 30 Jahren dazu kommen konnte, dass die Treuhand das Kaliwerk dicht machte. Ministerpräsident Bodo Ramelow war gestern als Zeitzeuge dabei.
30 Jahre nach dem Arbeitskampf in Bischofferode war es mir eine Genugtuung, diese Ausstellung hierher zu holen, sagte der einstige Betriebsrat vom Kaliwerk, Gerhard Jüttemann. Einen Monat wird sie im Kalimuseum stehen und Gerhard Jüttemann hofft, das viele Besucher sie besuchen. Uwe Witt von der Rosa Luxemburg Stiftung freute sich sehr, dass die Stiftung mit der Ausstellung, die 2019 in Erfurt eröffnet wurde, nun in Bischofferode sei. Sie stelle das Schicksal der Menschen in den Vordergrund und deren Lebensgeschichte die mit dem Stichwort Treuhand verbunden sind. Bischofferode sei ein Ort des Widerstandes, der bundesweit bemerkt wurde. Witt hofft, das von Bischofferode ein besonderes Signal ausgeht.
Zur Eröffnung waren einige Zeitzeugen gekommen, Kumpel, die im Arbeitskampf vereint waren und versuchten, das Kaliwerk zu retten. Aber es war auch ein Zeitzeuge dabei, der eigentlich nichts mit Kaliabbau zu tun hatte: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. Mit den Worten, vor genau 30 Jahren und drei Tagen war ich hier vor Ort, begann er seine Erinnerungen vom Beginn des Arbeitskampfes der Bischofferöder bis zum bitteren Ende und Erkenntnis, dass der Kampf um ein produzierendes Bergwerk nicht mehr zu gewinnen war. Aber er sei nicht sinnlos gewesen, sagte Bodo Ramelow. Es sei schon eine Kuriosität und Besonderheit, dass jetzt eine Bergbaufirma Bohrungen macht. Schon vor 30 Jahren hätten ihm die Kalikumpel gesagt, dass hier genügend liege und das Produkt dauerhaft gebraucht würde und eine sehr lange Nachfrage erzeugen wird. Bodo Ramelow war zu dieser Zeit als aktiver Gewerkschafter vor Ort. Er begrüßte auch herzlich Johannes Peine, der als Unternehmer das Kaliwerk 1993 übernehmen wollte.
Mit der Treuhand ging Bodo Ramelow hart ins Gericht. Er erklärte auch, warum Bischofferode keine Chance hatte. Es ging einfach darum, einen Konkurrenten vom Markt zu nehmen. Bodo Ramelow sagte: “ Die Kumpels wussten ganz genau, was sie in ihrer Arbeit zu leisten haben. Sie kannten jeden Handgriff und sie wussten auch, wie gut ihr Betrieb untertägig in Ordnung ist. Man könnte Vergleiche anstellen mit westdeutschen Gruben in dieser Zeit. Man würde Erstaunliches über Bischofferode feststellen. Unter dem Aspekt, was ist zu schließen, was wird im Weltmarkt nicht mehr Bestand haben, wäre Bischofferode oben auf der Agenda nicht gewesen.“
Bodo Ramelow berichtete von den geheimen Plänen, die erst Ende der Lieberknecht-Ära und zu Beginn seiner Amtszeit als Ministerpräsident öffentlich wurden. Schon zu DDR-Zeit sei Kali nach Norwegen geliefert worden, weil die Qualität stimmte. BASF war damals der Hauptgesellschafter von Kali und Salz. BASF konnte das Bischofferöder Salz nicht verarbeiten. Andere schon. Johannes Peine durfte das Werk nicht übernehmen, obwohl er es gekonnt hätte.
Im anschließenden Erzählsalon, moderiert von der Ausstellungs-Kuratorin Katrin Rohnstock, die das Bischofferoder Erzählprojekt mit initiiert hat, kamen weitere Zeitzeugen zu Wort. Es machte sehr betroffen, wenn sie von damals berichteten, von ihren Gefühlen, aber auch davon, wie sie belogen wurden, von der immer wieder aufkeimenden Hoffnung und schließlich einem Ende, das keiner so erwartete. Bodo Ramelow berichtete sehr emotional von den letzten Tagen des Kaliwerkes und den Anstrengungen des Arbeitskampfes. Sein Ziel war es, dass die Kalikumpel mit erhobenen Haupt aus dem Werk gehen sollten. Am 31. Dezember 1993 war um Mitternacht das Recht auf Kaliförderung erloschen, das Werk selbst war schon stillgelegt. Ganz gleich, wer Bodo Ramelow in seinem Arbeitszimmer in Erfurt besucht, er wird die Grubenlampe von Bischofferode und zwei Bilder aus dem Arbeitskampf nicht übersehen. Bischofferode habe ihn geprägt, sagte er im Erzählsalon.
Mit den Erzählungen der Zeitzeugen wird es auch ein Buch geben, sagte Katrin Rohnstock. Die 1960 in Jena geborene Literaturwissenschaftlerin veranstaltete mit ihrem Team von Rohnstock Biografien in Ostdeutschland bereits viele Erzählsalons zu regionaler Wendegeschichte: in Thüringen u.a. in Jena, Katzhütte, Suhl und Diedorf.
Dank des Thomas-Müntzer-Kalivereins Bischofferode e. V., der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen und Rohnstock Biografien, gefördert von der lokalen Partnerschaft für Demokratie im Eichsfeld, ist es derzeit möglich, dass die Ausstellung zu den Machenschaften der Treuhand und dem Schicksal vieler Menschen, die ihr unterlegen waren, in Bischofferode zu sehen ist. Es gibt auch einen Begleitband dazu.
Ilka Kühn