Das Motorschiff (MS) „Eichsfeld“. Bild: Aus der Sammlung von Dr. Michael Kruppe

Nur wenige Eichsfelder werden heute noch wissen, was es mit der MS „Eichsfeld“ auf sich hatte. Vielleicht können sich noch ehemaligen Mitarbeiter der Baumwollspinnerei erinnern? Denn damit hatte das Motorschiff von der Seereederei Rostock zu tun. Dr. Michael Kruppe ist dem Thema mal nachgegangen. Hier sein detaillierter Beitrag zur MS „Eichsfeld“.

Von der Öffentlichkeit unbemerkt wurde am 11./12. Mai 1967 das Motorschiff
„Eichsfeld“ durch den VEB Deutsche Seereederei Rostock in Betrieb genommen. Das
Frachtschiff hatte die holländische Werft „De Hoop“ in Lobith gebaut. Auch die beiden
Schwesterschiffe, die MS „Prignitz“ und die MS „Fläming“, stammten aus den Niederlanden.

Die drei Stahlkolosse waren Teil der neu gegründeten BALTAFRICA-Linie der DDR-
Handelsflotte, welche zwischen der Ostsee und Afrika Wirtschaftsgüter transportieren sollte.

Obwohl die Positionen der MS „Eichsfeld“ mehrfach in unserer Tageszeitung „Das
Volk“ abgedruckt waren, fiel die Existenz des Schiffes der Lokalredaktion in Worbis und
Heiligenstadt erst im Spätsommer 1967 auf. Daraufhin kontaktierte man die Deutsche
Seereederei Rostock (DSR) und erbat Auskünfte über die MS „Eichsfeld“. Nach einer kleinen
Vorabankündigung im Kreisteil vom 20. September 1967 folgte am nächsten Tag ein
ausführlicher Bericht mit der Überschrift „Der „Eichsfeld“ allzeit gute Fahrt“. Darin heißt es:

Die Länge der Schiffe („Eichsfeld“, „Prignitz“ und „Fläming“, Anm. d. Verf.) beträgt 135 m,
der Tiefgang vollbeladen etwa 7 m. 17,5 Seemeilen beträgt die Dienstgeschwindigkeit und
15.000 Seemeilen der Aktionsradius. Die „Eichsfeld“ hat vier Trockenladeräume, zwei
Kühlräume sowie zwei Süßöltanks. Der Lade- und Löschbetrieb kann mit eigenen 12
Ladebäumen und den dazugehörigen Ladewinden erfolgen.

Die Ladebäume haben eine Tragkraft von 5 bis 8 t. Außerdem ist ein Schwergutbaum von 60 t vorhanden. Das Schiff hat eine Wasserverdrängung von etwa 11.000 tdw, während die Gesamttragfähigkeit etwa 7.500 t beträgt. Den Antrieb des Schiffes besorgt ein Dieselmotor mit einer Leistung von 8.800 PS, der von Storck in Hengelo (Holland) gebaut wurde und durch eine Fernsteuerautomatik von der Kommandobrücke aus bedient wird. Selbstverständlich ist das Schiff auch mit allen navigatorischen Hilfsmitteln wie Kreiselkompass, Echolot und Radargeräten ausgerüstet.

Die Offiziere und Unteroffiziere sind in Einzelkabinen, die Mannschaften in geräumigen
Doppelkabinen untergebracht. Für die Mannschaft ist eine Messe (Speiseraum) und ein
Tagesraum, für die Offiziere und Passagiere ein Salon eingerichtet. Ferner sind Wäscherei,
Bügelraum, Hospital sowie ein Behandlungsraum vorhanden. In vier Doppelkabinen können
acht Passagiere untergebracht werden. Die Wohn- und Aufenthaltsräume sind automatisch
vollklimatisiert. [Die] MS „Eichsfeld“ befindet sich unter [der] Führung von Kapitän Zeplin
gegenwärtig auf der ersten Reise nach Westafrika.

Da das Schiff zum damaligen Zeitpunkt bereits ausgelaufen war, wurde unter dem
Zeitungsbericht ein Foto vom Schwesterschiff, der MS „Fläming“, abgedruckt und der
Wunsch geäußert, unseren Lesern auch bald einmal die „Eichsfeld“ selbst und ihre
Besatzung im Bild vorstellen zu können.
Diese Hoffnung sollte sich jedoch nicht erfüllen. Von
der MS „Eichsfeld“ und ihrer Besatzung wurde in der Tageszeitung „Das Volk“ nie ein Foto
abgedruckt. Nach 1969 verschwand sie sogar völlig aus der Berichterstattung.

Anlässlich der Festwoche zum fünfjährigen Bestehen des VEB Baumwollspinnerei und
Zwirnerei Leinefelde fand am Samstag, den 30. September 1967, im großen Speisesaal der
„Spinne“ die Festveranstaltung mit dem „Sender Weimar“ vom Rundfunk der DDR statt.
Unter dem Motto „Gratulation International“ wurden Glückwünsche aus aller Welt
übermittelt.

Die Tageszeitung „Das Volk“ berichtete am 5. Oktober 1967 ausführlich darüber:
Dann wurde es plötzlich still im Saal. Alle Anwesenden hörten gespannt auf die Lautsprecher,
aus denen über Rügen-Radio die Stimme des Kapitäns Heinrich Zeplin vom Motorschiff
„Eichsfeld“ der Deutschen Seereederei Rostock ganz deutlich zu hören war, obwohl sich das
Schiff in weiter Ferne auf einer Reise nach Afrika befindet. Kapitän Zeplin übersandte die
Grüße und besten Wünsche der Besatzung für die Werktätigen des Betriebes.

Nach dieser ersten Kontaktaufnahme folgten in den nächsten Monaten weitere; sie
beschränkten sich jedoch nur auf schriftliche Grüße zu feierlichen Anlässen. Am 2. Februar
1968 kündigte der VEB Baumwollspinnerei und Zwirnerei Leinefelde in der Presse an, den
nächsten Aufenthalt des Schiffes im Rostocker Heimathafen zu nutzen, um einen
Patenschaftsvertrag mit der Besatzung zu beraten und abzuschließen. Vier Monate später war
es dann so weit.

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Am Samstag, den 8. Juni 1968, reisten 20 Mitarbeiter der „Spinne“ und der Gemeinde Leinefelde zum Rostocker Hafen, wo sie zunächst eine Schiffsbesichtigung der MS „Eichsfeld“ unternahmen. Am Samstagabend fand dann ein Bordfest statt, bei dessen Eröffnung ein Freundschaftsvertrag unterschrieben wurde. Der größte Industriebetrieb des Eichsfelds übernahm darin die Patenschaft für das gleichnamige Schiff. Im Gegenzug verpflichteten sich der Kapitän Hans-Heinrich Zeplin und seine Besatzung, die „Spinne“ bei betrieblichen Höhepunkten regelmäßig zu besuchen. Mit einer Hafenrundfahrt an Bord eines Schiffes der Weißen Flotte endete am Sonntag, den 9. Juni 1968, die zweitägige Reise.

Unter der Überschrift „Ein Schiff trägt den Ruhm unserer Heimat über die Weltmeere“ berichtete
die Tageszeitung „Das Volk“ am 14. Juni 1968 von dem Ereignis.

Die MS „Eichsfeld“ im Jahr 1982. Foto: Malcolm Cranfield

Rund 20 Jahre dauerte die Patenschaft der „Spinne“ über die MS „Eichsfeld“. In dieser Zeit
besuchte der Kapitän Hans-Heinrich Zeplin mehrfach den Leinefelder Betrieb bei feierlichen
Anlässen. Am 22. Januar 1988 wurde die MS „Eichsfeld“ außer Dienst gestellt und an die
thailändische Reederei Mah Boonkrong Shipping Co Ltd. in Bankok verkauft. Diese benannte
das Schiff in „Mah IV“ um und verkaufte es im Oktober 1992 an eine chinesische Rederei in
Dalian, einer Hafenstadt auf der Halbinsel Liaodong. Die „Mah IV“ wurde im Zuge dessen in
„Sky Bridge“ umbenannt und diente noch drei Jahre als Frachtschiff. Am 17. Oktober 1995
erreichte die „Sky Bridge“ den Hafen von Dalian, wo man sie verschrottete.

Michael Kruppe