Das Sprachwunder der Apostel, das der Evangelist Lukas in seiner Apostelgeschichte am Pfingsttag geschehen lässt, hat sein Gegenstück im Buch Genesis im Turmbau zu Babel. An Pfingsten geschieht etwas, das die Folgen von Babel umkehrt: Die Menschen verstehen einander (wieder), obwohl sie verschiedene Sprachen sprechen. Hier die Predigt zum Pfingstsonntag von Pfr. Robert Nandkisore, Eltville:

In Babel sprachen sie anfangs eine Sprache. Diesen Vorteil nutzten sie allerdings dafür, um sich selbst einen Namen zu machen – angeblich mit guten Motiven: „um sich nicht über die Erde zu zerstreuen“ (Gen 4,4). Sich selber einen Namen machen wollen: Wir wissen, wohin das führt. Es kann nur in die Spaltung, die Abgrenzung und den Egoismus führen. „Ich, wir müssen gut dastehen“ – das ist die Sprache von Babel, davon sprachen sie.

Am Ende der heutigen Lesung steht, wovon die Apostel sprachen: „Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“ (Apg 2,11). Die Apostel sprechen nicht von sich selbst, sondern von Gott. Sie wollen nicht sich oder der Gruppe einen Namen machen, sondern Gott! Sie sprechen untereinander nicht mehr davon, wer von ihnen der Größte sei – da ist auch bei ihnen Umkehr geschehen: vom Ich zu Gott.

Wovon sprechen wir, gerade auch als gläubige Menschen – denn das waren die Menschen in Babel auch, davon zeugen die großen Stufenpyramiden, die ja Tempel waren? Pfingsten (Jerusalem) und Babel sind zwei Baustellen, die parallel existieren, in der Welt und auch in der Kirche. Eigenliebe bis hin zur Gottes- und Menschenverachtung, oder Gottesliebe? Der italienische Franziskaner, Theologe und päpstliche Hausprediger Raniereo Cantalamessa sagt: „Jede pastorale Initiative, jede Mission, jede religiöse Unternehmung, auch die heiligste, kann Babel sein oder Pfingsten“ (R. Cantalamessa, „Komm, Schöpfer Geist“, Herder 1999, 269) – geht es um die eigene Bestätigung oder die Ehre Gottes? Wovon sprechen wir?

Pfingsten – worauf hören wir?

Zur Zeit des Evangelisten Lukas war der religiöse Hintergrund des Erntefestes Pfingsten die Erinnerung an das, was 50 Tage nach dem Auszug aus Ägypten – woran das Pessach-Fest erinnert – geschehen ist: Mose und das Volk erhalten die 10 Gebote am Sinai und damit das Angebot Gottes: „Wenn du auf meine Stimme hörst“ (Ex 34,22).

Das äußere Befolgen von Geboten sagt noch nichts darüber aus, worauf ich wirklich höre – wem mein Herz gehört. Bereits die Propheten kündigten an: Das neue Gesetz wird ins Herz geschrieben, nicht mehr auf Stein. Und so hat der Geist Gottes die Möglichkeit, mich – mein Herz! – zu führen, zu leiten, zu beeinflussen. Davon spricht Paulus im Galaterbrief: Wenn ich mich vom Gesetz Gottes leiten lasse, sind mir bestimmte Dinge möglich, andere nicht. Pfingsten also als Erinnerung und Verlebendigung des neuen Gesetzes Gottes. Das ist anspruchsvoll, denn es erfordert, die Haltung eines Menschen anzunehmen, der zu Christus gehört. Das bitte jetzt nicht missverstehen: Die Apostelgeschichte erzählt, dass es da in der Gemeinde auch Streit und Auseinandersetzung gab, Spannungen. Entscheidend aber ist: Hören wir in all dem auf Seinen Geist, der weiterführt? Worauf hören wir?

Pfingsten – woraus leben wir?

Für den Evangelisten Johannes ist die Gabe des Heiligen Geistes den Jüngern schon am Ostertag verleihen worden. Der Todesüberwinder verleiht den Seinen die Macht, Todbringendes zu besiegen: die „Sünde“, alles also, was den Menschen von Gottes Einflusssphäre trennt, was den Menschen hindert, wahrhaft Mensch zu sein. Sünde vergeben – jenseits der Beichte ist das die Haltung und Fähigkeit, im anderen immer den Menschen, Bruder und Schwester, zu sehen, gerade auch im Gegner, dem Feind. Und ihn so zu bewegen, sich daran zu erinnern, was er ist. Exemplarisch taten das Mahatma Gandhi und Mutter Teresa. Das ist ein anstrengender, ja mühsamer Weg – aber es ist der Weg Jesu! Woraus leben wir?

An Pfingsten geht es darum, wovon wir sprechen, worauf wir hören, woraus wir leben. Denn die Sache Jesu geht weiter: Er selbst kümmert sich darum, in Seinem Geist, der in mir, in dir wirkt.

Amen.

Pfr. Robert Nandkisore,

Katholische Kirchengemeinde St. Peter und Paul Rheingau