Am vergangenen Samstag hatte der Verein für Eichsfeldische Heimatkunde die Ortschronisten zur Jahrskonferenz nach Uder eingeladen. Auf dem Programm stand u.a. ein Vortrag von Mathias Degenhardt zu Kriegsgräbern im Eichsfeld. Den eichsfeldnachrichten.de stellte er nun folgenden Beitrag zur Verfügung…

Mathias Degenhardt:
Das Eichsfeld ist reich an geschichtlichen Zeugnissen. Ob Burgen, Schlösser, Kirchen, Fachwerkgehöfte oder historische Grenzsteine: Vieles erinnert an die Landesgeschichte. Manches erinnert aber auch an die tragischsten Schicksale, die Menschen ereilen können.


Dazu zählen zweifellos die rund 500 Kriegsgräber, die der Verein für Eichsfeldische Heimatkunde e.V. an 43 Orten des gesamten Eichsfeldes im Zuge eines für im März 2023 zum Abschluss kommenden Buchprojektes über regionale Krieger- und Kriegsopferdenkmäler entdecken konnte. Die Gräber berichten stumm vom gewaltsamen Tod durch Kriegsereignisse, Flucht und Vertreibung, aber auch durch Zwangsarbeit, NS-„Euthanasie“ und Todesfälle an der späteren innerdeutschen Grenze.


Und so erzählen die Gräber ihre eigenen Geschichten. Das älteste Kriegsgrab des Eichsfeldes findet sich in Uder, wo seit 1866 ein preußischer Gefreiter ruht. Die größten Anlagen erblickt man auf dem Friedhof in Duderstadt und dem Alten Friedhof sowie dem sowjetischen Ehrenfriedhof in Heiligenstadt, wo hunderte Gefallene und Deportierte beider Weltkriege bestattet wurden und an die Ausmaße sowie Grausamkeit dieser Kriege erinnern.

Ansonsten findet man mehr oder weniger große Sammelgräber oder Gräberfelder, wie etwa in Bickenriede, Glasehausen, Kefferhausen oder Reinholterode bzw. zahlreiche Einzelgräber, wie in Haynrode oder Rustenfelde. Manche Scheingräber oder beschriftete Steine erinnern noch still an einstige Grabstätten, so etwa in Burgwalde oder Geisleden.

Kriegsgräber hatte einst jede Eichsfeldgemeinde. Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges wurden Eichsfelder Gefallene in die Heimat überführt und hier bestattet. Die Gräber dieser Personengruppe sind fast alle mittlerweile verschwunden. Ebenso fanden in den Lazaretten verstorbene Verwundete und ebenso dort verstorbene Vertriebene oft ihre letzte Ruhestätte im Eichsfeld.

Nicht zuletzt Kampfhandlungen im Eichsfeld – zunächst Luftkämpfe – forderten viele Todesopfer. Über 70 Zivilisten starben bei Gefechten im April 1945, hinzu
kommen über 300 gefallene deutsche Soldaten, die bei Kämpfen um Struth und Kefferhausen oder auch bei mehreren Rückzugsscharmützeln, wie etwa in Epschenrode, ihr Leben ließen.

Von den über 70 getöteten Zivilisten zeugt fast kein Grab mehr. Sie wurden in der Regel eingeebnet. Aber auch von den zahlreichen Soldatengräbern sind viele nicht mehr existent, wie in Effelder oder in Kalteneber. Kommunen bzw. die Bewohner vieler Orte überließen die Gräber zunehmend sich selbst und haben sie schließlich aus Unkenntnis eingeebnet.

Was viele kommunale Verantwortungsträger und auch weite Bevölkerungsteile nicht wissen: Kriegsgräber stehen unter besonderem gesetzlichem Schutz und genießen ausnahmslos ein zeitlich unbegrenztes Ruherecht. Eine Erörterung im Gemeinderat, ob wann und wie ein​ Kriegsgrab beseitigt wird, verstößt gegen geltendes Recht. Das „Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (GräbG)“ verpflichtet eine jede Gemeinde, die in ihrer Gemarkung existierenden Kriegsgräber zu erhalten.

Bei Kriegsgräbern von Ausländern, also bspw. Zwangsarbeitern und Deportierten, greift sogar die Genfer Konvention, die zum Gräbererhalt verpflichtet. Abgesehen davon dürfte es eine Frage des Anstands, der Moral und eines gesunden Geschichtsbewusstseins sein, derartige Mahnmale zu erhalten.

Die Friedhofsträger stehen jedoch nicht allein. Für ein registriertes Grab zahlt ein Bundesland nach einer Gebührenverordnung einen Zuschuss für die Pflegekosten. Wenn örtliche Schulen – auch Grundschulen – Kriegsgräber als Lernorte nutzen, können sich auch diese zusammen mit Vereinen in der Grabunterhaltung engagieren. Menschen, die sich dafür einsetzen möchten, finden dabei stets Unterstützung beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., welche mit dem Historiker Stefan Sander aus Küllstedt auch auf dem Eichsfeld tätig ist.

Trotz der Gesetzeslage und Unterstützungsangebote verschwinden jedoch immer wieder Gräber von Kriegsopfern. Es gibt aber auch einige sehr vorbildliche Kommunen, die die Kriegsgräber nicht nur erhalten, sondern sogar in dauerhafter Form neu gestalten und einfassen. So haben Bickenriede 2007 sowie Reinholterode 2022 ihre Kriegsgräber, die an gefallene Soldaten erinnern, neu hergerichtet. Somit ist sichergestellt, dass zumindest dort die Ortsbezüge zu diesen Einzelschicksalen auch künftig als Erinnerungsort gewahrt bleiben –
und zugleich als Mahnmale gegen den Krieg, welche nicht aussagekräftiger sein könnten.