Netto eröffnet – eine neue Ära an einem geschichtsträchtigen Standort
In wenigen Tagen wird das dritte Einkaufszentrum in der Nähe des Zentralen Platzes von Leinefelde eröffnet. Mit dem neuen Netto-Markt erhält das Einkaufsareal gegenüber von Aldi und Lidl nun weiteren Zuwachs. Auch Kaufland ist nur einen Steinwurf entfernt. Doch der Standort, an dem Netto nun steht, hat eine lange und wechselvolle Geschichte, die viel mehr als nur eine Einkaufsmöglichkeit verspricht.
Zu DDR-Zeiten war hier ein äußerst gut besuchtes Restaurant mit Bar und ein Eiscafe beheimatet – ein beliebter Treffpunkt, der zu den besten Adressen der Stadt zählte. Auch nach der Wende hatte die Stadt noch große Pläne mit dem Gebäude. Anstelle eines Supermarktes war ursprünglich vorgesehen, eine der modernsten Bibliotheken Thüringens hier zu errichten. Ebenso sollte die Bildungsgesellschaft Urania hier unterkommen, und es war sogar ein Veranstaltungsraum geplant, der kulturelles Leben und Bildung an einem zentralen Ort vereinen sollte. Die Vision: Ein modernes Kultur- und Bildungszentrum für Leinefelde.
Doch es kam anders. Die Stadt entschied sich, das Gebäude an einen Investor zu verkaufen. Dieser riss das Innere des historischen Baus komplett heraus und schuf unter dem bestehenden Dach (denkmalgeschützt) eine völlig neue Struktur. Anstelle des Kulturzentrums entstand nun ein weiteres Einkaufszentrum.
Was jedoch ebenfalls denkbar gewesen wäre: Der Investor baut das Gebäude wie geplant und vermietet es dann an die Kommune, ähnlich dem Modell des Wasserturm-Rathauses. So hätte Leinefelde ein modernes Kultur- und Bildungszentrum neben der Obereichsfeldhalle bekommen können, wie es ursprünglich geplant war – ohne die Stadt mit hohen Investitionskosten zu belasten. Ein solches Konzept wäre eine ideale Lösung gewesen, das städtische Leben zu bereichern und den historischen Wert des Standorts zu bewahren.
Stattdessen prägt nun ein weiteres Einkaufszentrum das Stadtbild. Während Netto zweifellos eine Bereicherung für die Einkaufsmöglichkeiten der Bürger darstellt, bleibt das Gebäude als Symbol für verpasste Chancen und zugleich für die Veränderung des städtischen Lebens, das sich zunehmend an Konsum orientiert. Viele Einwohner fragen sich, ob nicht eine andere Entscheidung sinnvoller gewesen wäre.
Eine Bilderwand im hinteren Teil des Gebäudes zeigt Leinefelde, wie es einst war, zu DDR-Zeit. In Anbetracht der bevorstehenden 800 Jahrfeier von Leinefelde sicher eine nette Geste vom Investor. Vielleicht wäre es auch gut gewesen, hier Bilder vom ehemaligen Stadt L, der Bar und des Eiscafes zu präsentieren. Aber vielleicht kann man die Bilder eines Tages auch mal austauschen.
Ilka Kühn