Zum Europäischen Depressionstag am 4. Oktober 

Die Pandemie bedeutet psychischen Stress: Angst vor der Ansteckung, aber auch Angst vor dauerhaftem Abstand und Einschränkungen im täglichen Leben. Belastungsfaktoren gibt es zahlreiche. Noch ist kein Ende der Pandemie in Sicht, die Bedrohung bleibt. Experten erwarten daher einen Anstieg an psychischen Erkrankungen, Wachsamkeit und Zuwendung bei ersten Anzeichen sind gefragt.

Bei Depressionen denken die meisten vor allem an Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Doch das Erscheinungsbild einer Depression sowie die Ursachen und Auslöser können vielfältig sein. Das sorgt häufig dafür, dass die psychische Erkrankung nicht erkannt oder nicht ernst genommen wird. Experten der Oberberg Fachkliniken informieren über die verschiedenen Facetten einer Depression.

Bis heute ist die Entstehung von Depressionen wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt. Als sicher gilt, dass zur Entstehung einer Depression immer mehrere Faktoren beitragen, sie also multifaktoriell entsteht. „Bis zu 50 Prozent des Risikos für affektive Störungen sind genetisch veranlagt oder in früher Kindheit erworben. Dazu kommen im Laufe des Lebens weitere Belastungen, die Depressionen auslösen können. Auch ungünstige Arbeits- und Lebensumstände – wie eine weltweite Belastungssituation durch die aktuelle Pandemie – erhöhen das Risiko für Depressionen“, erklärt Prof. Dr. Dr. Matthias J. Müller, CEO, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer der Oberberg Kliniken. Was Auslöser für eine Depression sein kann und wie sie sich schließlich zeigt, kann ganz verschieden sein.

Das wohl bekannteste Gesicht der Depression ist eine ausgeprägte und anhaltende Verstimmung mit Interessenverlust und AntriebsmangelIn diesem Fall ist die Verstimmung besonders schwer ausgeprägt und die emotionale Schwingungsfähigkeit häufig stark eingeschränkt. Betroffene berichten häufig, dass sie nichts mehr fühlen können. Die Auslöser sind zahlreich. So kann sie zum Beispiel in der Folge eines belastenden Ereignisses, wie dem Verlust eines nahestehenden Menschen oder nach einer Geburt (Wochenbettdepression), aber auch durch den Jahreszeitenwechsel (Saisonal Abhängige Depression / SAD) in Erscheinung treten.

Eine Depression kann sich aber auch vorrangig über körperliche Beschwerden, wie etwa Herzrasen, Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen oder Schwindelattacken zeigen, für die es keine erklärenden organischen Ursachen gibt. Bei dieser Somatisierten Depression ist den Betroffenen meist zunächst nicht bewusst, dass der Kern ihrer Beschwerden psychischer Natur ist, was häufig zu zahlreichen Arztbesuchen führt, bevor die Diagnose schließlich gestellt wird. Über unspezifische, körperliche Beschwerden zeigt sich eine Depression häufig auch bei älteren Menschen (Altersdepression). Sie verdecken die darunter liegende Depression, die meist schleichend über einen längeren Zeitraum auftritt, weshalb sich diese Form der Depression nicht immer leicht diagnostizieren lässt.

Auch bei Kindern und Jugendlichen treten Depressionen nicht immer mit typischen Symptomen auf, unspezifische körperliche Beschwerden (Kopf-und Bauchschmerzen, Übelkeit) und Verhaltensänderungen (u.a. Rückzug, Schulabsentismus, Unlust und Reizbarkeit, Meiden von früheren Hobbies) stehen häufig im Vordergrund. Untersuchungen legen bereits nahe, dass im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Restriktionen gerade Kinder und Jugendliche in verstärktem Maße Angst- und Depressionssymptome entwickeln. Auch das Risiko für einen erhöhten Substanzkonsum (Alkohol, Drogen, Medikamente) und für nicht stoffgebundenes Suchtverhalten (Alkohol, Gaming, Internet) steigt in allen Altersgruppen.

Depressionen treten jedoch auch nicht selten im Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen auf, z.B. ist das Risiko an einer Depression zu erkranken nach Schlaganfällen oder bei Bestehen einer chronischen internistischen Erkrankung (v.a. bei Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz und anderen Erkrankungen) besonders hoch.

Auch nach durchgemachter SARS-CoV-2/COVID-Erkrankung (auch bei milden oder mittelschweren Verläufen der Infektion) können wie auch nach anderen schweren Infektionserkrankungen depressive Verstimmungen zusammen mit anderen psychischen und somatischen Beschwerden, insbesondere einer ausgeprägten Ermüdung und Erschöpfung (Fatigue), Kurzatmigkeit, Muskelschmerzen etc., auftreten (Post-/Long-Covid-Syndrom).

Oder die Depression zeigt sich zusammen mit anderen Symptomen wie Wahnideen oder Halluzinationen. In diesem Fall spricht man von einer Psychotischen Depression (Depression mit psychotischen Symptomen), bei der zudem die Symptomatik schwerer ausgeprägt ist, die depressiven Phasen länger andauern, und ein höheres Risiko für Suizidalität besteht.

Ebenfalls kann die Depression Teil einer weiteren Erkrankung wie einer bipolaren Störung sein (Bipolare Depression). In diesem Fall wechseln sich Episoden mit gehobener Stimmung, vermehrtem Antrieb und gesteigerter Aktivität (Hypomanie oder Manie) ab mit Phasen, die durch ein Stimmungstief, verminderten Antrieb und geringe Aktivität (Depression) gekennzeichnet sind.

„Wer dauerhaft antriebslos und niedergeschlagen ist und unter anhaltender Lust- und Interesselosigkeit sowie Schlaf- und Appetitstörungen leidet, sollte professionellen Rat und Hilfe in Anspruch nehmen“, rät der Experte der Oberberg Gruppe. Auch Angehörige und Freunde sollten solche Veränderungen und Stimmungsschwankungen ernst nehmen und das Gespräch mit dem Betroffenen suchen.

Denn den meisten Menschen, die unter einer Depression leiden, kann durch eine professionelle Behandlung geholfen werden. Mit einer individuellen und störungsspezifischen Therapie können die depressiven Episoden sogar vollkommen verschwinden. „Wir stellen in unseren Kliniken mit jedem Patienten ein für ihn maßgeschneidertes Angebot zur Behandlung zusammen. Als Orientierung dienen uns wissenschaftlich fundierte Leitlinien. Die Besonderheit unserer Therapieprogramme liegt in der individuellen Anwendung etablierter und innovativer Verfahren mit hoher Intensität auf höchstem Niveau“, so Prof. Dr. Dr. Müller.

Wenn depressive Symptome Teil der psychosomatischen Nachwirkungen und Folgen einer durchgemachten COVID-19-Erkrankung sind (Post-/Long-COVID-Syndrom, Post-SARS-CoV-2/COVID-19-Syndrom [PSCS]), hat die Oberberggruppe ein darauf ausgerichtetes besonderes Therapieprogramm entwickelt. „Aus unseren Erfahrungen mit der Behandlung von psychosomatisch und psychisch erkrankten Patienten haben wir auch für das PSCS einen multimodalen Therapieansatz entwickelt. Noch gibt es hier keine Leitlinien, aber unsere Behandlung leiten wir aus den Therapieempfehlungen zu Erschöpfungs- und Schmerzsyndromen sowie relevanten psychischen Störungen ab“, erklärt Prof. Dr. Dr. Müller.

ZAHLEN DATEN FAKTEN

150 Tausend Neuerkrankungen in Deutschland/Jahr

5,3 Millionen Betroffene deutschlandweit

5 Prozent der krankheitsbedingten Fehltage

[Quellen: Robert-Koch-Stiftung, Stiftung Deutsche Depressionshilfe, weitere]

Statistisch erkrankt mindestens jeder dritte Mensch im Laufe seines Lebens an einer Depression. Unter den Bedingungen der aktuellen Pandemie wird damit gerechnet, dass vermehrt und verstärkt Depressionen auftreten. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Etwa sieben Prozent der Bevölkerung leiden jahrelang unter anhaltenden leichten depressiven Symptomen (Dysthymie), ein Großteil davon bereits seit dem jungen Erwachsenenalter. Zudem können sich auch etwa 20 bis 30 Prozent der depressiven Episoden (Major Depression) chronifizieren. Die chronische Depression ist nicht klar definiert, die depressive Symptomatik hält jedoch über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr an und wird häufig von weiteren psychischen Erkrankungen wie Angst- oder Zwangsstörungen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch begleitet.