Wenn heutzutage überall und von allen Seiten überlegt wird, wie man der durch die Pandemie „verlorenen Generation“ unserer Kinder und Jugendlichen helfen kann, emotional, sozial, motorisch und kognitiv nicht den Anschluss zu verlieren, dann sollten sie ins Ahrtal fahren. Dort helfen sie nicht nur sich selbst, sondern sinnvollerweise auch den dort um ihre Existenz kämpfenden Familien. Denn allen negativen Äußerungen in diesem Land zum Trotz lebt dort eine Zivilgesellschaft höchst engagiert solidarisch, freundlich und dankbar.

Davon konnten sich 23 Schülerinnen und Schüler, die sich freiwillig in der ersten Herbstferienwoche mit drei Lehrenden des katholischen Gymnasiums „St. Elisabeth“ in Heilbad Heiligenstadt auf den Weg nach Rheinland-Pfalz gemacht haben, überzeugen.

Das eigentlich vor den Herbstferien liegende Sozialpraktikum unserer Schule konnte schon zum zweiten Mal coronabedingt nicht stattfinden und deshalb gab es in diesem Jahr als Alternative das Hilfsangebot im Flutgebiet an der Ahr.

Die Tage starteten jeweils im Innovationspark Grafschaft Ringen an der Autobahn A61, wo die Organisation des Helfershuttles allein aus Privatinitiative und enormen Spenden ein ausgezeichnet organisiertes Camp aufgebaut hatte. Dort vor Ort waren Mitarbeiter, Scouts, die die aus den zerstörten Orten gemeldeten Hilfenachfragen an die Helfer weiterleiteten. In den zahlreichen Zelten konnte man sich je nach Einsatzort und -art mit Gummistiefeln, Schutzbrillen, Handschuhen, Schutzhosen, Spaten, Schippen, Schubkarren, Bohrhämmern usw. ausrüsten. Auch diese Materialien konnten durch Spenden bereitgestellt werden.

Dann ging es in die zerstörten Orte an der Ahr: Dernau, Mayschoss, Ahrweiler, um dort zu helfen. Für die Schülerinnen und Schüler und ihre erwachsenen Begleiter hieß es in diesen Tagen: Entschlammung eines Weinberges (mehr als 100 t Schlamm wurde entsorgt), Säuberung einer Tiefgarage, Mithilfe bei der Weinlese, Entkernung einer Grundschule und das Säubern der Ahr-Auen von angeschwemmtem Holz, Metall und Unrat.

Die verschiedensten Gespräche und Reflexionen mit den dort lebenden Menschen haben bei allen Teilnehmenden einen tiefen und bleibenden Eindruck hinterlassen.

Oft hörten man im Vorbeigehen einfach nur ein: „Danke, dass ihr da seid!“.  Eine Helferin aus Norddeutschland bedankte sich bei den Schülerinnen und Schüler, dass sie froh ist, dass Thüringen nicht „nur aus AfD-Anhängern“ besteht, sondern aus so „tollen engagierten jungen Menschen“.

Ein Mann erzählte: Die Ahr ist normalerweise 80 cm tief und 8 Meter breit und in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli ist dort das Wasservolumen des Mittelrheins durchgeschossen. Der Weinbergbesitzer formulierte, die Flut habe einen Hektar seines Besitzes zerstört und er habe noch keine Zeit zum Weinen gehabt, denn es müsse ja weitergehen. Und immer wieder „Danke“ und die Bewunderung der Menschen über den Einsatz der Jugendlichen.

Es war nicht nur eine Erfahrung der Hilfestellung für Menschen in einer konkreten Notlage, sondern auch eine Erfahrung einer starken Gemeinschaft. Mit Schlamm-befüllten Eimern und Schubkarren fröhlich Musik hörend, tanzend, redend und diverse Eimerketten bildend, wurden niemandem die Arme zu schwer, dass er aufhören wollte. Ein eindrucksvolles Bild entstand in einem entkernten Haus, als eine der Schülerin sich ans Klavier setze, das dort dreckig und verstaubt stand und einfach drauf losspielte. Ein kleines Hoffnungszeichen inmitten von so viel Leid und Zerstörung. Und wenn die Gruppe am späten Nachmittag wieder im Helfercamp in Grafschaft Ringen zurückkam, gingen alle dort an zahlreichen Kerzen vorbei, die dort für die Toten der Flut brennen.

Jedem stockte der Atem, als am letzten Abend ein Notfallseelsorger von einzelnen Schicksalen der Menschen erzählte. Und es wurden jedem bewusst, wie gut er es hier im Eichsfeld hat und eigentlich sehr dankbar dafür sein müsste.

Menschen, die ihren Jahresurlaub opferten, Unternehmen und Einrichtungen, die ihren Betriebsausflug zum Einsatz an der Ahr gestalteten, wildfremde Menschen, die sich in Eimerketten und in kaputten Häusern dankbar in den Armen lagen, machten allen deutlich, was an einer Hauswand zu lesen stand: Alle 11 Minuten verliebt sich ein Helfer ins Ahrtal.

Diese Fahrt der Bergschule hat sich nicht nur gelohnt, sie wird in Erinnerung bleiben, sie hat deutlich gemacht, zu was eine Zivilgesellschaft fähig ist. Leider erst erfahrbar nach einer Tragödie. In dieser pandemiegebeutelten Zeit waren die sechs Tage das Sinnvollste, was jungen Menschen gezeigt werden konnte.

Der Wiederaufbau wird mindestens noch 10 Jahre dauern. Und jedem, der dabei war, ist klar „Da muss ich noch einmal hin und mit anpacken“.

Kathrin Fiebelkorn, Markus Könen, Adrian Volkmar.