Bei der Arbeit im Einzelhandel kommt es nicht zu einer erhöhten Infektionsgefährdung durch das SARS-CoV-2-Virus. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Untersuchung der Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik (BGHW) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Die derzeitigen Regelungen für die technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen reichen nach aktueller Kenntnis offensichtlich aus, um einen effektiven Schutz der Beschäftigten vor einer Corona-Infektion am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

Die Studie fußt auf den Ergebnissen dreier Untersuchungen: auf der Befragung von Einzelhandels-Unternehmen durch die BGHW, die Analyse von Daten der BARMER Krankenkasse zu den an Corona erkrankten Berufsgruppen sowie der Auswertung von epidemiologischen Daten durch die BAuA. Allesamt belegen: Das Infektionsrisiko bei der Arbeit im Einzelhandel ist nicht erhöht.

Ausgewertet wurden unter anderem Daten aus elf Einzelhandels-Unternehmen mit rund 331.000 Beschäftigten. Zwischen Mitte März und Ende Oktober 2020 erkrankten etwa 0,6 Prozent der Beschäftigten an dem Virus. Demgegenüber infizierte sich im gleichen Zeitraum etwa 0,8 Prozent der Allgemeinbevölkerung. Somit liegt der Anteil der erkrankten Beschäftigten sogar unter dem Mittel der entsprechenden Altersgruppe in der Allgemeinbevölkerung. Dabei habe es keine wesentlichen Unterschiede in den betrachteten Handelsbereichen gegeben. So sei etwa im Lebensmitteleinzelhandel, der in allen Lockdown-Phasen geöffnet hatte, die Infektionshäufigkeit unauffällig geblieben.

Schutzmaßnahmen wirksam

„Eine wesentliche Rolle für das geringe Infektionsrisiko spielen sehr wahrscheinlich die von den Unternehmen ergriffenen Schutzmaßnahmen. Zum Beispiel die Abtrennungen an den Kassen und Bedientheken, Abstandsregeln, die Regelungen zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen, die verstärkte Lüftung und die verstärkte Reinigung“, so Dr. Stefan Mayer von der Präventionsabteilung der BGHW. Hinzu komme, dass alle befragten Unternehmen ein Corona-Management mit eigener Kontaktnachverfolgung genutzt haben. „Dies hat sehr wahrscheinlich dazu beigetragen, dass Infektionen in der Regel nur auf einzelne Beschäftigte beschränkt blieben“, so Mayer. Dabei habe die Ursache für die gemeldeten Infektionen überwiegend sogar im außerbetrieblichen Bereich gelegen.

Keine Hochrisikokontakte im Einzelhandel

Die hohe Anzahl an Kontakten zwischen Beschäftigten und Kundinnen und Kunden legte bislang die Vermutung erhöhter Infektionsrisiken nahe. Epidemiologische Daten aus unterschiedlichen Kontaktszenarien zeigten jedoch, dass kurze Kontaktdauern, wie sie im Einzelhandel typisch sind, im Allgemeinen geringere Infektionsrisiken bergen als längere Kontaktdauern. Die Kontaktdauer von 15 Minuten, die als Grenzwert für Hochrisikokontakte gilt, wird in Abhängigkeit vom regionalen Infektionsgeschehen auch beim Kontakt Beschäftigter mit Infizierten über die Arbeitsschicht nicht unweigerlich erreicht. Sechs bis zehn Minuten summierte Kontaktdauer wurden beispielhaft für Szenarien abgeleitet, die bei lokalen Ausbrüchen auftreten könnten.

In einer weiteren, methodisch unabhängigen Analyse von Krankenkassendaten wurde zudem festgestellt, dass Erkrankungsrisiken für den Einzelhandel insgesamt unauffällig blieben. Dies gilt auch für die Bereiche des Einzelhandels, in denen während der Lockdown-Phasen gearbeitet wurde.

Zu der Fragestellung liegen bislang nur wenige Untersuchungen insbesondere aus dem Ausland vor, die einzelne Infektionscluster erforschten. Die nun vorgestellte Studie bewertet die Situation konkret für Deutschland und zeigt auf, wie sich die ergriffenen Maßnahmen im Vergleich zu den Ergebnissen aus anderen Ländern darstellen.

Der vollständige Beitrag erscheint in Kürze in der Fachzeitschrift „Arbeitsschutz in Recht und Praxis“ des Beck-Verlags in Kooperation mit der BAuA.