Als Journalistin war ich gespannt auf ein Treffen mit Käthe Fuhrken, die kürzlich ihren 100. Geburtstag gefeiert hatte. Der Pflegedienst hatte mir mitgeteilt, dass sie meine Fragen selbst beantworten wollte, was meine Vorfreude nur noch steigerte.

Käthe Fuhrken mit Pflegedienstleiterin Juliane Heimel-Schille (li.) und Stephanie Bänder vom Team des Pflegezentrums. Foto: Ilka Kühn

Mein Ziel war das Pflegezentrum Kulle mit dem  betreuten Wohnen in Leinefelde, das Gebäude, das bis 1993 noch ein Krankenhaus war. Es wurde mir gesagt, dass 9 Uhr eine gute Zeit sei, da Frau Fuhrken dann zur Tagespflege kommt. Sie hat im Dachgeschoss eine Zwei-Zimmer-Wohnung für sich. Schön, wenn man mit 100 Jahren so etwas von sich noch sagen kann.

Kurz vor 9 Uhr betrat ich das Haus und wurde herzlich von den Mitarbeiterinnen und Mitbewohnern begrüßt. Ich war neugierig auf meine Gesprächspartnerin. Als die Fahrstuhltür aufging, trat eine ältere Dame mit einem kleinen Rollator heraus, begleitet von einer Mitarbeiterin des Hauses. Zuerst dachte ich, das kann unmöglich die 100-Jährige sein, auf die ich wartete. Doch sie war es. Mein Erstaunen konnte ich kaum verbergen, ebenso wenig wie mein Respekt, als sie selbstbewusst in einem Raum der Tagespflege am Tisch Platz nahm.

Käthe Fuhrken ist es bereits gewohnt, dass die Leute staunen, wie fit sie noch ist. Doch ihre Vitalität beschränkte sich nicht nur auf das Körperliche, sondern umfasste vor allem ihren wachen Geist. Während unseres halbstündigen Gesprächs erwähnte sie kein einziges Mal, etwas vergessen zu haben oder sich an etwas nicht mehr erinnern zu können. Im Gegenteil – sie erzählte mit erstaunlicher Klarheit und Präzision, kann sich an alle Adressen erinnern mit Hausnummer, wo sie einmal gewohnt hat.

Käthe Fuhrken hatte zunächst in Heiligenstadt gewohnt, ihr Mann war damals in der Molkerei. Dann kam betriebsbedingt der Umzug nach Bad Langensalza. Auch sie arbeitete in der Molkerei, da hieß es sehr früh raus aus den Federn, Arbeitsbeginn war 4 Uhr. Nach der Wende führte sie der Weg zurück ins Eichsfeld, nach Leinefelde.

Was ist ihr Geheimnis? „Ich habe keins“, sagte sie lächelnd. „Ich habe einfach normal gelebt.“

Käthe Fuhrken blickt auf ein Jahrhundert voller Veränderungen und Erlebnisse zurück. Sie hat den Krieg überstanden, den Wiederaufbau Deutschlands miterlebt und den Wandel der Gesellschaft beobachtet. Trotz der vielen Herausforderungen, denen sie begegnete, strahlte sie eine Zufriedenheit und Gelassenheit aus, die tief beeindruckend war. Ihr Mann ist schon 1995 gestorben. Mit ihm Mann war sie viel gereist, hat überall den Kirchen einen Besuch abgestattet, auch wenn sie sich von der Kirche verabschiedet habe. Es passe dort einiges nicht, erklärte sie. Gern erinnert sie sich an den 7wöchigen Aufenthalt in Kanada.

Sie erzählte von sich und ihrer Familie. Das Leben war nicht immer einfach, aber sie hat es gemeistert. Zehn Kinder, 18 Enkel und 24 Urenkel gehören zu ihrer Familie. Einige wohnen in der näheren Region, andere sind weiter weg. Zu ihrem 100. Geburtstag war es dann auch ein großes Familientreffen. Von diesem Tag schwärmt Käthe Fuhrken. Auch Bürgermeister Christian Zwingmann und Ortsbürgermeister Patrick Westphalen haben ihr gratuliert. Käthe Fuhrken konnte sogar sagen, wo wer gesessen hat. Es war so eine schöne Feier, aber am Abend war ich dann ganz schön kroki, erzählt die 100jährige.

Seit viereinhalb Jahren lebt sie im betreuten Wohnen des Pflegezentrums Kulle in Leinefelde. Sie kennt die anderen Bewohner gut und spricht mit großer Anerkennung vom Team des Pflegezentrums. Besonders schätzt sie ihre beiden Ärzte, Dr. Maria Kulle und Dr. Konrad Kulle, und lobt deren einfühlsame und kompetente Betreuung.

Käthe Fuhrken hat im Laufe ihres langen Lebens viel erlebt und doch scheint sie vor allem eines bewahrt zu haben: ihre Lebensfreude. Sie nimmt teil am Leben, nur auf Reisen möchte sie verzichten. Aber auf Bücher nicht. Sie liest noch viel, am liebsten Arztromane und Kinderbücher.

Als ich mich von ihr verabschiedete, fühlte ich mich bereichert. Dieser Besuch erinnerte mich daran, dass es nicht immer die großen, spektakulären Geheimnisse sind, die ein langes und erfülltes Leben ausmachen, sondern oft die einfachen, alltäglichen Momente, die uns am meisten prägen.

Ilka Kühn