Collage: Stadt Dingelstädt

Nicht nur für Dingelstädt, sondern für den gesamten Landkreis Eichsfeld war gestern ein großer Tag. In einem Festakt in Dingelstädt wurden die neuen Gemeinden begrüßt Unsere Region ist seit dem 1. Januar 2023 um ein paar Eichsfelddörfer aus dem Unstrut Hainich Kreis größer geworden. Beberstedt, Bickenriede, Hüpstedt und Zella. Dingelstädt besteht nun aus neun Orten: Beberstedt, Bickenriede, Dingelstädt, Helmsdorf, Hüpstedt, Kefferhausen, Kreuzebra, Silberhausen und Zella. Im Festakt gestern sagte Landrat Dr. Werner Henning:

„Seit Menschengedenken ist das Eichsfeld Grenz – und Übergangsland zugleich. Talaufwärts in die
Quellgebiete von Unstrut und Frieda, Leine, Walse, Hahle und Wipper hinein, suchten Her-
munduren, Chatten und Sachsen in der bisherigen Heimat von Kelten und Wenden ihr Glück und
legten den Grund für das, was wir heute sind.

Der Rand der Stammeswelten wurde zum Übergang mit Sehnsucht nach Weite und gleichzeitig Ort für das freie Leben im Grenzraum, fernab von herrschaftlicher Bevormundung. Der Preis hierfür war in kriegerischen Zeiten Schutzlosigkeit, in Friedenszeiten Vergessenheit. Das Mainzer Erzstift war sehr weit weg und militärisch zu unbedeutend, als dass es hätte spü rbaren Beistand bieten können, das spätere Preußen auf viel größeren Bühnen als der erst jüngst zugefallenen Provinz unterwegs, die ideologischen Systeme des 20. Jahrhunderts zu fremd, um in der Lage gewesen zu sein, sich das mystisch wirkende Eichsfeld dienstbar zu machen.

Was blieb, war weithin Not, aber auch ein Selbst – und Gottvertrauen, aus dem Freiheit und zuweilen auch Wohlstand erwuchsen. Ausgestattet mit einer Melange von Unangepasstheit gegenüber Fremdeinwirkungen und der Sehnsucht nach Neuem, erwiesen sich die zurückliegenden 30 Jahre als sehr glückliche. Sie waren ein nahezu idealer Nährboden, welcher vieles zum Erblühen brachte, was von unserer Art längst im Erbe angelegt war. Die Welt war plötzlich nach allen Himmelsrichtungen hin ganz offen. Frei von den alten politischen Verkrampfungen blieben wir auch weitestgehend resistent gegenüber neuen Zudringlichkeiten und sind dieses hoffentlich auch noch auf lange Zeit, um so zu bleiben, wie uns Hermann Iseke 1905 in der zweiten Strophe seines Eichs feld – Gedichtes liebevoll beschreibt:
„Hier hat sich Nord und Süd vermählt
zum wunderschönen Bilde.
In Land und Leuten: kraftgestählt,
und doch so reich, so milde;
so leicht das Blut, so fest das Mark,
das Herz so gut, der Sinn so stark.“


Eben hieran habe ich gedacht, als man mir nach der erfolgten Abstimmung in der Bevölkerung
von Bickenriede über deren künftigen kommunalen Zugehörigkeitswunsch berichtet hat. Es seien besonders die jungen Leute gewesen, welche für einen Beitritt ihres Dorfes zur Stadt Dingelstädt und damit zum Landkreis Eichsfeld mit der Begründung votiert hätten, fortan auch zu den „Gewinnern“ gehören zu wollen. Gedeutet habe ich diesen Begriff in dem Sinne, dass man zukünftig, wie im Landkreis Eichsfeld zu sehen, das eigene gemeindliche Leben in noch größerer Unabhängigkeit von übergroßen politischen Konventionen zu gestalten gedenke. Für eine Beurteilung der darin liegenden Hoffnungen wird es wohl einige Zeit brauchen und hängt
wesentlich vom Mittun möglichst anspruchsvoller Akteure ab.


Diese sollten die aus der eigenen Kultur heraus verstandenen Erwartungshaltungen an das gesellschaftliche Leben auf Unterstützungsmöglichkeiten durch den Staat abklopfen, ohne sich allein auf das bekenntnishafte Lob der gegebenen politischen Verhältnisse reduzieren zu lassen.
Wir alle sind immer wieder herausgefordert, uns um das richtige Maß im Gebrauch der uns
grundgesetzlich gegebenen kommunalen Selbstverwaltung zu üben.

Vor Ort geht es sehr konkret um die eigene Verankerung von Land und Leuten mi t dem, was wir
im Sinne eines allumfassenden Lebensgefühls Heimat nennen. Diese muss ständig in lebbare
Formen der Erziehung unserer eigenen Kinder und Jugendlichen oder auch der integrationswilligen Zuwanderer übersetzt werden. Bildung und Erziehung bleib en deshalb zuvorderst Herausforderungen an uns selbst, welche wir nicht nur dem Staat überlassen dürfen. Ausdruck über deren Stand geben viele Erhebungen im sozialen Monitoring. Behalten Sie dafür einen Blick und lassen Sie nicht zu viel von den formelhaft en systemischen Bekenntnissen in Ihr eigenes Leben hinein.

Vertrauen Sie darauf, dass ein jedes Gemeindemitglied, Ihnen gleich, das Beste für die örtliche
Gemeinschaft will und lassen Sie sich nicht von zu platten und schrillen Sprüchen betören. Genau au s diesem verbindenden Wollen erwächst Vertrauen und Kraft, mit denen wir unseren Lebensraum in Echtheit gestalten. Eben dazu lade ich Sie ein.

Der alten emotionalen Zugehörigkeit zu Mühlhausen mit dessen großer Geschichte und Bedeutung in der Gegenwart tun all diese Veränderungen überhaupt keinen Abbruch. Entfernungen, Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten und die von Ihnen genutzte dortige Infrastruktur verändern sich in dem kommunalen Zugewinn von Dingelstädt nicht. Für große Teile des Landkreises Eichsfeld ist Mühlhausen mit diversen regionalen Oberzentrumsfunktionen bleibend unverzichtbar. Und dennoch wird die Bedeutung von Dingelstädt durch den Beitritt von Hüpstedt, Beberstedt, Bickenriede und Zella, mit Blick auf das noch hinzukommende Struth, im raum ordnerischen Sinne kräftig wachsen, ganz wie es durch Wilhelm, Prinz von Preußen, dem späteren Kaiser Wilhelm I., 1859 durch die Verleihung der Stadtrechte an Dingelstädt grundgelegt worden ist.

Hierauf muss sich auch der Landkreis einstellen. Mögen wir alle die Kraft und die nötige Größe
aufbringen, die hierin liegenden Chancen gedeihlich zu nutzen. Wir haben allen Grund, für diese
Fügung unserer jüngeren Geschichte dankbar zu sein, und nehmen wir sie deshalb auch freudig
an.


„Suchet der Stadt Bestes [… ] und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohl geht, so
geht’s euch auch wohl.“ Mit diesem alttestamentarischen Spruch aus Jeremia 29,7 wünsche ich
der vergrößerten Stadt Dingelstädt mit ihren hinzugewonnenen neuen Ortsteilen für die Zukunft
alles erdenkliche Gute.“
Dr. Werner Henning